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Z’ Liecht goh
Während heute die Wintermonate durch die Veranstaltungen und Hauptversammlungen der Vereine, durch das Fernsehen, durch die größere Mobilität der Menschen und durch andere vielfältive Angebote der Freizeitbeschäftigung und Weiterbildung kaum noch Langeweile aufkommen lassen, waren früher die langen Winterabende in den schlecht oder gar nicht beleuchteten Dörfern für die Bewohner eine Zeit, die kaum Abwechslung bot. Bücher besaß man selten, konnte man sich auch gar nicht anschaffen. So saßen die Frauen und Mädchen beim Nähen, Flicken, Stricken, noch früher auch beim Spinnen in der Stube. Die Männer schnitzten und erzählten Geschichten aus alten Zeiten. Die Kinder schickte man früh ins Bett, und auch die Erwachsenen blieben nicht lange auf, denn ein Kienspan war bald heruntergebrannt und Öl kostete viel Geld. Doch dann und wann lud man die Verwandtschaft oder Nachbarschaft ein. Man nannte das „Z’ Liecht goh“
(Zum Licht gehen). Neben der Handarbeit wurde erzählt, grub man alte Erinnerungen aus und die Kinder, die länger aufbleiben durften, lauschten und staunten, was man früher doch alles angestellt hatte. Mit den Worten "Es war emol e Huus un dert hen gwohnt …” begann das beliebte Häuserraten.
Alte und neue Lieder erklangen dazwischen. Dann und wann wurden Walnüsse aufgeklopft und ausgeklaubt, manchmal Strohschuhe geflochten. In späteren Zeiten wurde „s’ Welschchorn usgleipft“, das heißt die Maiskolben wurden von ihrer Hülle befreit, die Blätter nach hinten gebogen und die Kolben paarweise zusammengebunden. Danach hängte man sie an einem Seil oder einem Draht auf. Anlässlich des Lichtgangs wurden oft auch sogenannte „Pasquillen“ vorgelesen oder vorgetragen. Das sind in alemannisch gehaltene Spott- oder Schmähgedichte, deren Verfasser selten bekannt waren.
Sie glossierten auffällige Begebenheiten im Dorf. Manchmal klangen sie sehr beleidigend, und der Betroffene war bestrebt, den Urheber herauszufinden, um es ihm heimzuzahlen. Doch meistens wurde jemand nur so „auf den Arm genommen“; man lachte darüber, und nach und nach geriet das Gedicht in Vergessenheit.
Im Laufe des Abends wurde dann ein Essen gerichtet, meist Speck, Brot und Wein. Die Mädchen und Frauen brauten sich Kaffee, und dazu wurde Kuchen gereicht. Konnte man einen Handörgeler auftreiben, wurde gesungen und getanzt. Es genügte auch eine „Schnurregige“ (Mundharmonika), um eine ausgelassene Stimmung aufkommen zu lassen. So verbrachte man früher die langen Winterabende beim Lichtgang.
Seit dem Jahr 2019 kann man in Seefelden wieder z’ Liecht goh, denn die LandFrauen haben diesen liebenswerten Brauch zurück ins Leben gerufen. In den Wintermonaten trifft man sich einmal monatlich im alten Rathaus von Seefelden und verbringt einen geselligen Abend bei guter Unterhaltung, netten Gesprächen und alten Geschichten.
Quelle: Buggingen – eine Markgräfler Gemeinde im Wandel der Zeit“, Dr. Gustav Albiez, Dr. Walter Fauler, Johannes Helm, Walter Jost, Heinz Schlenker, Gerhard Teutsch, Willi Werth, Verlag Karl Schillinger Freiburg, 1978